Gedanken zum Weihesakrament

Am 10. Juni vor 34 Jahren wurde ich in Münster zum Priester geweiht. Ein Jahr zuvor am Fest der Taufe des Herrn zum Diakon. Sehr gern denke ich an die Weihen und an die Jahre der Vorbereitung und Berufungsklärung zurück. Ist es wirklich meine Berufung den Menschen als Diakon und Priester zur Seite zu stehen und mit meiner ganzen Existenz in der zölibatären Lebemsform Zeugnis zu geben für Christus? Das war die Frage, die mich damals bewegte und die mich weiterhin begleitet. Die Entscheidung Priester zu sein ist eine Lebensentscheidung, die von Tag zu Tag gelebt sein will.
Jesus hat Menschen in seine Nachfolge gerufen. Er wollte, dass sie „mit ihm seien“ (Markus 3,14). Er hat ihnen Anteil gegeben an seiner Sendung und sie haben sich in seinem Namen auf den Weg gemacht zu den Menschen.
Jesus hat damit nicht formell das Weihesakrament eingesetzt, aber es geht auf ihn zurück. Er hat den von ihm Gesandten seinen Heiligen Geist gegeben und sie haben ihrerseits Menschen die Hände aufgelegt und die Einsetzung in ein Amt oder einen Dienst mit der Gabe des Geistes verbunden. So gibt es in der Kirche eine auf die Apostel zurückgehende Tradition der Handauflegung bei der Weitergabe des apostolischen Dienstes. Die Bischöfe als Nachfolger der Apostel haben die Fülle des Weihesakramentes. Ihnen zur Seite stehen „Gefährten und Helfer“ (Zitat aus dem Weihegebet der Priesterweihe), die als Diakone und Priester den Dienst der Bischöfe in den Gemeinden unterstützen.
Schon früh hatte ich den Wunsch, Nachfolge Jesu als Priester zu leben. Die Jahre der Vorbereitung waren intensiv und die Auseinandersetzung mit der persönlichen Berufungsfrage sehr ernst, aber auch voller Freude! Als ich bei der Weihe aufgerufen und dem Bischof vorgestellt wurde, habe ich mit großer Freude gesagt: „Hier bin ich.“ Gleichzeitig bleibt die Herausforderung des Amtes. Allein aus eigener Kraft geht es nicht. – Ich sehe da eine deutliche Parallele zum Ehesakrament. Auch da braucht es den Beistand und das Mitgehen Gottes.
Gerne erinnere ich mich an die Feier der Weihe. Die Weiheversprechen – eingeschlossen der Gehorsam gegenüber dem Bischof und die Ehelosigkeit – sind schon eine große Herausforderung. Aber der Ritus öffnet die Perspektive. Nach den Versprechen legen sich die Kandidaten flach auf den Boden. Legen sich gleichsam hinein in die Zusage Gottes: „Ich bin da.“ Die Gemeinde singt die Anrufungen der Allerheiligenlitanei. Das Gebet der Gemeinde hüllt die Weihekandidaten ein. Auch in der Erinnerung spüre ich die Kraft dieses Gebetes!
Danach treten die Weihekandidaten vor den Bischof. Als der Bischof mir die Hände auflegte, spürte ich das Bergende und das Ermutigende dieser Geste. Ich verbinde sie mit der Begegnung Jesu mit den Kindern im Markusevangelium. (Markus 10, 13-16) Jesus nimmt die Kinder in seine Arme, legt ihnen die Hände auf und segnet sie. Hier entdecke ich das Bergende dieses Ritus. Und ich höre und spüre unter den aufgelegten Händen die eermutigende Zusage Jesu: „Empfangt den Heiligen Geist.“ (Johannes 20, 22)
Es klingt vielleicht seltsam, aber die Erinnerung an die Weihe lässt die Zusage des Ritus wieder lebendig werden und hilft mir, meinen Weg freudig und zuversichtlich weiterzugehen. Vielleicht im Sinne des Paulus, der seinem Schüler Timotheus schreibt: „Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir durch das Auflegen meiner Hände zuteil geworden ist. Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der
Liebe und der Besonnenheit.“ (2 Timotheus 1, 6+7)
Mir geht es darum, aus diesem Geist heraus im Dienst für Menschen als Priester zu leben. Nach der Handauflegung – zunächst durch den Bischof, dann als Zeichen der Gemeinschaft durch alle anwesenden Priester – legen die Neugeweihten das Messgewand an und ihre Hände werden gesalbt. Das ist ein sehr tiefes Zeichen. Die Hand steht für das Handeln des Priesters. Die Salbung macht auf ganz eigene Weise deutlich, dass der Heilige Geist sein Handeln durchformen und prägen soll.
Nach der Salbung werden den neuen Priestern Brot und Wein in die gesalbten Hände gelegt. Der Bischof sagt dazu: „Empfange die Gaben des Volkes für die Feier der Eucharistie. Bedenke, was du tust, ahme nach, was du vollziehst und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes.“ Dieses Wort begleitet und prägt mein Leben als Priester, in dessen Zentrum die Feier der Eucharistie steht. Von ihr geht mein Dienst aus und zu ihr führt er
zurück. So bin ich mit den mir anvertrauten Menschen unterwegs. Der Jesuit Peter Köster kommentiert diese Worte des Bischofs in der Weiheliturgie so:
„Achtsam und mit Hingabe soll er das „Geheimnis des Glaubens“ feiern. Mit seiner ganzen Existenz soll er zum „Brot“ werden, das die Menschen nährt, und zum „Wein“, der ihr Herz erfreut. Brot und Wein sind Ursymbole menschlichen Lebens. Sinnbilder für Sinnerfahrung. In ihnen werden die unaufhörlich ineinander greifenden Prozesse von Wandlung und Veränderung, von Sterben und Neuwerden veranschaulicht: das Geheimnis des Kreuzes als Sinn-Bild für Leben, das unsere Zeit überdauert.“ (vgl. Peter Köster, Ursymbole des Glaubens, Frankfurt 2010, S. 90)
Der Priester Andreas Knapp – er ist Mitglied der Ordensgemeinschaft der „Kleinen Brüder vom Evangelium“ – drückt es in einem Gedicht so aus:

priesterweihe

du brichst das brot nicht
mit deinen Händen
selbstbewusst und willensstark
um gönnerisch auszuteilen
das brot zerbricht dir
unter deinen händen
ohnmächtig musst du es geschehen
und dich selbst wandeln lassen