Die heilige Eucharistie
Wir sprechen oft einfach von der Kommunion
Gedanken zur Eucharistie – „Wie zu einem vertrauten Gespräch“ „Wir traten für einige Minuten in den Dom, und während wir in ehrfürchtigem Schweigen dort verweilten, kam eine Frau mit ihrem Marktkorb herein und kniete zu einem kurzen Gebet in einer Bank nieder. Das war für mich etwas ganz Neues. In die Synagogen und protestantischen Kirchen, die ich besucht hatte, ging man nur zum Gottesdienst. Hier aber kam jemand mitten aus den Werktagsgeschäften in die menschenleere Kirche wie zu einem vertrauten Gespräch. Das habe ich nie vergessen können.“ So schreibt die jüdische Philosophin Edith Stein. Dieses Erlebnis, das sie im Frankfurter Dom hatte, wurde zu einer kleinen Wegmarke auf ihrem Weg zum Christentum. Sie wurde Karmelitin. Während der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten wurde auch sie gefangen genommen und in Auschwitz umgebracht. Johannes Paul II. hat sie 1998 heiliggesprochen.
Ihr kleines Erlebnis, das sie so beeindruckt hat, habe ich oft im Sinn. Ich erlebe Menschen, die in unsere Kirche kommen und eine kleine Zeit kniend verweilen „wie zu einem vertrauten Gespräch“. Auch ich selber gehe gern so in unsere Kirche. Ich schaue auf den Tabernakel, das kleine Schränkchen mit dem roten Licht, und spüre, dass Jesus hier in besonderer Weise gegenwärtig ist in dem Brot, das in diesem Schränkchen aufbewahrt wird.
Als Mensch auf dieser Erde war Jesus viel mit seinen Jüngern unterwegs, oft hat er mit Menschen Mahl gehalten. Eine dieser gemeinsamen Mahlzeiten war besonders. Wir nennen es das „letzte Abendmahl“. Nach diesem gemeinsamen Essen wurde er festgenommen, zum Tode verurteilt und am Kreuz hingerichtet. So wurde dies „letzte Abendmahl“ zu seinem Vermächtnis. Wein und Brot teilte er mit seinen Freunden. Wein und Brot, das sind Grundnahrungsmittel, die es zu allen Zeiten und an fast allen Orten gab und gibt.
Das Teilen verband Jesus mit beeindruckenden Worten: Beim Brot sagte er: „Nehmt und esst, das ist mein Leib!“ Und beim Wein: „Trinkt alle daraus (aus dem Kelch); das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26, 26-28). Für seine Freunde waren es zunächst wohl rätselhafte Worte. Erst als er am Kreuz aus Liebe zu den Menschen gestorben war und sein Blut vergossen hatte, ahnten die Jünger nach und nach die Bedeutung seiner letzten Worte beim Teilen von Brot und Wein. Zwei von seinen Freunden hatten nach Jesu Tod ein besonders bewegendes Erlebnis: Traurig verließen sie Jerusalem und ließen die vergangenen Ereignisse Revue passieren. Da gesellte sich ein Dritter zu ihnen, der Manches, was ihnen im Blick auf Jesu Tod unklar war, deuten konnte. In Emmaus kehrten sie zusammen in ein Gasthaus ein und aßen miteinander. An der Art und Weise wie der Fremde mit ihnen Brot und Wein teilte, erkannten sie in ihm Jesus, der von den Toten auferstanden war. Mit dieser Erkenntnis machten sie sich gleich auf den Weg zu den anderen Freunden Jesu, die ihrerseits Erfahrungen mit dem von den Toten auferstandenen Jesus gemacht hatten. Diese Mahlerfahrung prägte das Leben der Jünger und prägt auch unser Leben heute. Wir kommen zusammen. Wie Jesus beim letzten Abendmahl und wie nach seinem Tod und seiner Auferstehung die Jünger so nehmen auch wir Wein und Brot und halten Mahl miteinander. Wir sprechen die Worte, die Jesus gesprochen hat, und erinnern uns an seinen Weg an sein Leiden und an seinen Tod. Wie die Jünger dürfen auch wir im Glauben die Erfahrung machen, dass Jesu Worte ihre Gültigkeit behalten: „Das ist mein Leib. Das ist mein Blut.“ Jesus selber ist da! Er ist in diesem Wein und in diesem Brot anwesend, er ist gegenwärtig in unserer Mitte. Wenn wir nach der gemeinsamen Mahlfeier wieder auseinandergehen, bleibt etwas von dem Brot zurück. In dem kleinen Schränkchen heben wir es auf und bringen manchmal etwas davon zu Kranken oder Sterbenden. Jesus bleibt in diesem Brot gegenwärtig und stärkt mit seiner Nähe den, der es isst. Das rote Licht neben dem Schränkchen, das wir Tabernakel nennen, ist ein sichtbares Zeichen: In dem Brot, das hier aufbewahrt wird, ist Jesus. Dieses Brot ist – wie wir sagen und glauben – Leib Christi. Ich bin dankbar für dieses schlichte Zeichen der Nähe Jesu: ein kleines Stück Brot! Bei der gemeinsamen Mahlfeier in der Kirche darf ich so ein Stückchen Brot essen und spüren, dass Jesus ganz nah bei mir ist. Ihm kann ich alles anvertrauen. Er hört mir zu. Und zwischendurch da zieht es mich immer wieder mal in die Kirche. lm Glauben weiß ich um Jesu Nähe und Gegenwart in dem Brot vorn im Tabernakel. Einen Augenblick knie ich in der Bank –„wie zu einem vertrauten Gespräch“ – und gehe gestärkt an die nächsten Aufgaben.
Eucharistie – finde ich – ist ein wunderschönes Wort für die gemeinsame Mahlfeier in Jesu Namen; denn Eucharistie ist Griechisch und bedeutet im Deutschen so viel wie Danksagung.
Ich weiß nicht mehr, wann ich zum ersten Mal von Edith Steins Erfahrung im Frankfurter Dom gelesen habe. Aber ich bin dankbar für ihr kleines Erlebnis, das in mir auf ganz eigene Weise die Bedeutung des Brotes im Tabernakel und die Dimension der Eucharistiefeier lebendig hält! Jesus ist in unserer Mitte gegenwärtig im Wein und im Brot. Wie das möglich ist, bleibt ein „Geheimnis des Glaubens!“ Aber ich spüre, es ist wahr, und ich erfahre die Ermutigung, wenn ich in die Kirche zu Jesus komme „wie zu einem vertrauten Gespräch“.